Internationale Initiative
Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan
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Köln, 13. Februar 2007

INTERNATIONAL INITIATIVE BRIEFINGS:
Kabale und Liebe: Öcalan, die Kurden und Europa

Auf Liebe, wie in Schillers Drama, können die Kurden in der Türkei wenig hoffen. Die dortige katastrophale Menschenrechtslage spricht für sich. Vom Westen ist auch keine Unterstützung zu erwarten. Allzu oft sind die Kurden schon zum Spielball internationaler Interessen geworden, geopfert auf der Schlachtbank des Profitdenkens. Der Begriff der Kabale, stets ein elementarer Bestandteil von Macht- und Standesdünkel, ist ihnen hingegen hinreichend bekannt. Der Fall des Kurdenführers Öcalan steht hierfür als Synonym.

Am 15. Februar 1999 verschleppten türkische Agenten Abdullah Öcalan in die Türkei. Vorausgegangen war eine wochenlange Odyssee zwischen Damaskus, Moskau, Athen, Rom und Amsterdam, welche in den völkerrechtswidrigen Piratenakt von Kenia endete, unter maßgeblicher Beteiligung von CIA, MIT und Mossad. Aber auch europäische Staaten trugen ihr Scherflein zu dieser Geheimdienstranküne bei. Niemand gewährte dem Kurdenführer politisches Asyl. Keiner dieser Staaten kam dem selbst erklärten Anspruch nach, auch im Mittleren Osten friedenspolitische Initiative zu ergreifen. Öcalans Aufruf, die Europäische Union möge zu einer politischen Lösung der kurdischen Frage beitragen, verhallte ungehört. Europa entpuppte sich als menschrechtlicher Papiertiger, der nur zubeißt, wenn es dem eigenen Profit dient. Später, als Öcalan in einer juristischen Farce zum Tode verurteilt wurde, beschränkte man sich lediglich darauf, eine Vollstreckung des Todesurteils zu verhindern.

Seitdem wird Abdullah Öcalan unter menschenunwürdigen Isolationshaftbedingungen auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali gefangen gehalten. Sein Gesundheitszustand ist stark angegriffen. Besuche seiner Rechtsanwälte und Angehörigen werden häufig willkürlich verweigert. Seine Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten sind äußerst beschränkt. Einerseits fordert das Antifolterkomitee des Europarates (CPT) die Aufhebung der Isolationshaft von Abdullah Öcalan, andererseits unternimmt der Europarat keine Schritte, um die Forderung einer seiner Institutionen Nachdruck zu verleihen. Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Neuverhandlung der Causa Öcalan verfügte, da dieser kein faires Verfahren erfahren hatte, scheint der Ministerrat des Europarates nicht gewillt, für eine Umsetzung des Urteils zu sorgen. Passend zum achten Jahrestag der Verschleppung plant das Ministerkomitee des Europarats nun gar, die Wiederaufnahme des Verfahrens endgültig für überflüssig zu erklären.

Der 15. Februar 1999 markierte jedoch auch einen Wendepunkt im türkisch-kurdischen Konflikt. Ethnisch motivierte Auseinandersetzungen in den türkischen Metropolen ließen eine unkontrollierte Eskalation immer wahrscheinlicher werden. Öcalan hingegen setzte alles auf eine Karte. Trotz drohender Hinrichtung bot er seine Hand zum Frieden und rief die kurdischen Rebellen zur einseitigen Beendigung des blutigen Krieges auf. Gleichzeitig verband er dies mit der Forderung nach Anerkennung kultureller und sprachlicher Rechte für die Kurden und einer tief greifenden Demokratisierung der Türkei. Mit dem Rückzug der kurdischen Guerilleros auf Territorien außerhalb der Türkei entspannte sich die Situation. Für kurze Zeit keimte die Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konfliktes auf. Rasch machte sich jedoch Ernüchterung breit. Regierung und Militärs sahen in dem kurdischen Friedensangebot lediglich ein Zeichen von Schwäche, weshalb sie keinen Anlass sahen, von der militärischen Option abzusehen. Eine politische Lösung der kurdischen Frage rückte schnell wieder in weite Ferne.

Statt einen Neuanfang zu wagen ist heute die Türkei mehr zerrissen denn je. Der Beitrittsenthusiasmus zur Europäischen Union ist erlahmt, auf den Weg gebrachte Reformvorhaben sind Makulatur, ein anachronistischer Nationalismus, dem erst kürzlich der armenischstämmige Journalist Hrant Dink zum Opfer fiel, feiert seinen erneuten Einstand. Militärische Einmarschpläne in den Nordirak werden geschmiedet, um die dortige kurdische Autonomieregierung zu stürzen, und am Vorabend der Präsidentschaftswahl steuert das säkulare Lager unter der Führung der türkischen Militärs auf eine Konfrontation mit dem islamischen Lager zu, da der türkische Regierungschef Erdogan mit Unterstützung seiner islamistischen AKP nach dem Präsidentschaftsamt strebt.

Dem politischen Europa scheint’s zu gefallen, es schaut zu. Denn die aktuellen Entwicklungen kommen nicht nur den Gegnern eines Beitrittes der Türkei zur Europäischen Union zupass. Auch Europa hat seine strukturellen Hausaufgaben zu machen, weshalb immer mehr europäische Staaten dazu neigen weitere, trotz schon getroffener Zusagen, EU-Erweiterungsrunden auszusetzen oder zu verlangsamen. Die harte Haltung der Türkei in der Zypernfrage, die zu einer teilweisen Aussetzung von acht Verhandlungskapiteln führte, ist hierfür ein willkommener Anlass. Staatsterroristische Übergriffe des türkischen Militärgeheimdienstes auf die kurdische Zivilbevölkerung, extralegale Hinrichtungen und zunehmende Folterfälle in Polizeihaft fallen dabei schon gar nicht mehr ins Gewicht.

Im Umgang mit der kurdischen Frage wird aber auch Europas Ambivalenz zwischen geostrategischem Vorteilsdenken und dem Anspruch, ein modernes humanes Wertesystem zu vertreten, offenbar. Fürsprache können die Kurden nicht erwarten. Eine Lösung ist allenfalls im Rahmen von Minderheitenrechten angedacht, welche wiederum im Rahmen des Annäherungsprozesses der Türkei an die EU erzielt werden sollen. Das Mitwirken der Kurden wird dabei eher als störend empfunden. Inwieweit dieses Vorgehen als realistisch bezeichnet werden kann ist fraglich, da sich die kurdische Problematik nicht allein auf eine Minderheitenfrage reduzieren lässt. Vielmehr hat sie weit reichende soziale, kulturelle und politische Ursachen, die sich auf vielfältige Weise in dem Konflikt ausdrücken. Dieser lässt sich jedoch nur unter Beteiligung aller relevanten Konfliktparteien lösen; nicht aber unter Ausschluss der Kurden. Genau das ist jedoch, was zurzeit geschieht. Sämtliche kurdischen Bemühungen um Unterstützung für ihr Friedensanliegen bleiben unbeantwortet. Selbst als der bewaffnete Konflikt 2006 wieder eskalierte, beschränkte man sich nur auf Appelle zur Beendigung der Gewalt. Der erneute einseitige Waffenstillstand der kurdischen Seite wurde lediglich zur Kenntnis genommen. Deutschland und Frankreich beziehen so gar einseitig Position, indem sie kurdische Politiker kriminalisieren und somit die Türkei in ihrer kurdenfeindlichen Politik ermutigen.

Doch eine Politik des Abwartens schadet auf Dauer mehr als sie nutzt. Selbst Europa kann es im Rahmen seiner geostrategischen Interessen nicht hinnehmen, dass sich die Türkei anschickt eine militärische Lösung der kurdischen Frage zu suchen, da die unabsehbaren regionalen Folgen einer Eskalation des Konfliktes - ein Übergreifen auf den Nord-Irak ist nicht ausgeschlossen – in sicherheitspolitischer Hinsicht auch auf Europa zurückfällt. Vom menschlichen Leid, das die Flüchtlingsproblematik weiter verschärft, ganz zu schwiegen. Nicht nur die Türkei, sondern auch Europa muss umdenken. Eine internationale Initiative zur Lösung des Konfliktes ist überfällig, da deutlich geworden ist, dass für eine Lösung die „integrative Dynamik der Kopenhagener Kriterien“ bei weitem nicht ausreicht. Ein nachhaltiges Krisenmanagement ist vonnöten. Die Kontrahenten des Konfliktes sind dazu anzuhalten, das Problem auf dem Weg des Dialoges zu lösen. Die kurdische Seite hat mehrfach eindrucksvoll deutlich gemacht, dass sie für solch einen Prozess bereit ist. Es ist nun an der Türkei, konstruktive Schritte zur Aussöhnung mit der eigenen kurdischen Bevölkerung zu unternehmen. Die Aufhebung der Isolationshaftbedingungen von Öcalan, wie dies auch das Antifolterkomitee des Europarates (CPT) fordert, wäre ein erster Schritt zur Entspannung.